Swiss Fireball Forum

Es überrascht mich immer wieder, wie Judges denken und die Regeln auslegen. Und wie es auf Details und das Timing ankommt, wo genau sich Boote befinden etc., zB in dieser Diskussion: https://www.racingrulesofsailing.org/po ... in-rule-18
Gibt ja auch bei uns immer wieder Anlass für Diskussionen.
Der erwähnte Beitrag ist von 2018 aber bald gibt's ja die neuen Regeln 2021-2024: https://www.sailing.org/documents/racingrules/index.php

Oh ja - schliesslich müssen die Judges ja die stundenlangen Protestverhandlungen mit irgendwelchen Argumenten füllen

Richi und ich haben uns kürzlich über eine komisch-interessante Frage informiert, und zwar (Szenario ist ein bei uns SUI-Fireballern üblicher up-and-down-Kurs): Wenn die Startboje zugleich die Leeboje ist (die Boote also jeweils die Bojenrundung in der Verlängerung der Startlinie beginnen und anschliessend über die Startlinie wieder an die Kreuz gehen), und der RO beschliesst, eine Bahnabkürzung zwischen Leeboje und Startboot zu machen (he ja, ist bequem, man muss das Startboot nicht bewegen und keine separates Zielboot hinschicken...) - in welche Richtung muss die ehemalige Startlinie dann überquert werden? Ich war der Meinung von Lee nach Luv, da bei einer Abkürzung die "Ziellinie (a) an einer zu rundenden Bahnmarke (...) oder (b) an einer Linie, von der die Bahn verlangt, dass sie überquert werden muss, oder (c) an einem Tor (...)" sein muss. Für mich wäre da (b) massgebend, aber offenbar ist es das nicht wegen des "oder". Das "Case-Book" besagt, dass die Definition von "Ziel" gilt, und dort heisst es, der Zieldurchgang sei Überqueren "von der Bahnseite her". Also hätten wir im geschilderten Fall die Ziellinie von Luv nach Lee überqueren müssen! - Ich stelle mir grad vor, ein RO kürze seine Bahn an der Leeboje mit Ziellinie parallel zum Wind ab ... dann kann jeder von der Seite her überqueren, die für ihn direkter ist! Da hätten die Bootsbauer bzw. -reparateure sicher Freude!

Hoi Mianne

Gemäss Uli Finkh ist die Antwort klar:
WS-Case 129 lautet:
Wenn die Bahn an einer zu rundenden Bahnmarke abgekürzt wird, wird diese Bahnmarke eine Ziel-Bahnmarke. Regel 32.2(a) erlaubt der Wettfahrtkomitee das Fahrzeug, das Flagge S zeigt an beliebiger Seite der Ziellinie zu positionieren. Ein Boot muss die Ziellinie entsprechend der Definition Zieldurchgang überqueren, auch dann, wenn es dabei die Bahnmarke an der entgegengesetzten Seite lässt, wie sie es getan hätte, wenn die Bahn nicht abgekürzt worden wäre.

Liaba Gruass und viel Spass beim Knobeln... aber streiten bitte nur NUR ONLINE!!

Liaba Gruass
Christina

Ich sehe es auch so wie Christina bzw. Uli Finkh.
Und wenn ein PRO die Linie genau in Windrichtung auslegt, muss er sich nachher nicht beklagen.
Bzw. ginge es nicht eher darum, wie die Ziellinie in Bezug auf die letzte Boje vor dem Ziel liegt, anstatt um die Windrichtung? Wenn man zB von der Raumboje herkommt ist es eigentlich klar, wie man die Ziellinie kreuzt, wenn diese genau in Windrichtung liegt. Würde die Verlängerung der Ziellinie aber auf die Raumboje zeigen, könnte man wohl von beiden Seiten her drüber.

Wenn ich nochmals auf die im ersten Beitrag verlinkte Diskussion um Regel 18 zurückkommen darf: da diskutiert eine Handvoll Judges - notabene Leute, von denen man annimmt, dass sie sich öfters mit solchenFragen auseinandersetzen - während Wochen über die Auslegung einer bestimmten Wettfahrtsituation, die im Rennen grad mal ein paar Sekunden dauert. Wie sollen man in dieser Zeit als SeglerIn diese ganze Analyse durchführen können? Und man hat während der Bojenrundung ja auch noch auf ein paar andere Sachen zu achten. Irgendwie schon ein aberwitziger Sport, das Regattasegeln...

Ja, mit "parallel zur Windrichtung" meinte ich eigentlich eher "in einer Linie mit /in Verlängerung der Linie von der letzten Bahnmarke".

Ist das aber nicht allgemein so, dass juristische Spitzfindigkeiten / Auslegungen von Gesetzen und Regeln oft etwas realitätsfern sind? Bzw. dass man alles und jedes stunden- und tagelang diskutieren könnte auch wenn man es im Falle eines Eintreffens innert Sekunden entscheiden muss?

Es gibt sicher noch andere Beispiele ausserhalb des Segelns, ja, da hast du wohl recht. Ich bin kein Experte, aber - um beim Sport zu bleiben- bei Fussball, Tennis oder Jassen kommt mir jetzt grad nichts Ähnliches in den Sinn.

Mich würde wunder nehmen, wie andere folgende Situation beurteilen, die sich so ungefähr tatsächlich zugetragen hat.
Ich schreibe hier mal der Einfachheit halber im Präsens so, wie ich denke, dass die Regeln interpretiert werden müssen. Aber natürlich ist das nur ein Vorschlag und meine Meinung.

Pos. 1)
Gelb und Blau auf der Kreuz zur Luvboje. Es sind nicht die führenden Boote, eher im Mittelfeld. Blau im Lee und klar voraus, Gelb etwa auf Anliegelinie. Beide noch nicht in der Zone.
Gelb muss sich freihalten, Blau ist Wegerechtsboot wegen der klar-voraus-Position gemäss Regel 12 "klar voraus".

Pos. 2)
Gelb erreicht den 3-Längenkreis vor Blau. Jetzt gilt Regel 18.
18.1 When Rule 18 Applies
Rule 18 applies between boats when they are required to leave a
mark on the same side and at least one of them is in the zone.

keine der Ausnahmen trifft zu:
However, it does not apply
(a) between boats on opposite tacks on a beat to windward,
(b) between boats on opposite tacks when the proper course at the
mark for one but not both of them is to tack,
(c) between a boat approaching a mark and one leaving it, or
(d) if the mark is a continuing obstruction, in which case rule 19
applies.

Gelb muss sich immer noch frei halten wegen Regel 12. Weitere Auswirkungen von Regel 18 sehe ich hier nicht, insbesondere nicht von 18.2 a) und b).
18.2 Giving Mark-Room
(a) When boats are overlapped the outside boat shall give the
inside boat mark-room, unless rule 18.2(b) applies.
(b) If boats are overlapped when the first of them reaches the zone,
the outside boat at that moment shall thereafter give the inside
boat mark-room. If a boat is clear ahead when she reaches the
zone, the boat clear astern at that moment shall thereafter give
her mark-room

zu a): Die Boote sind nicht überlappt
zu b): Blau ist zwar voraus aber nicht in der Zone.

Pos. 3)
Blau dreht an zur Wende. Dadurch entsteht eine Überlappung im Lee zu Gelb. Regel 12 gilt nicht mehr, neu gilt Regel 11 "Lee vor Luv". Es spielt keine Rolle, ob Blau in diesem Moment in der Zone ist oder ausserhalb. Hauptsache, Blau erreicht die Zone nicht, solange es klar voraus ist. Unter diesen Voraussetzungen gilt ab dem Moment der Überlappung Regel 18.2a). D.h. Blau muss Gelb Bahnmarkenraum gewähren:
Mark-Room Room for a boat to leave a mark on the required side. Also,
(a) room to sail to the mark when her proper course is to sail close to it,
and
(b) room to round or pass the mark as necessary to sail the course without
touching the mark.
However, mark-room for a boat does not include room to tack unless she is
overlapped inside and to windward of the boat required to give mark-room
and she would be fetching the mark after her tack.
Tricky ist hier natürlich, wie Gelb beweisen muss, dass die Überlappung hergestellt wurde, bevor Blau die Zone erreicht. Aber wir können ja mal annehmen, dass Blau das nicht in Abrede stellt.

Pos. 4)
Wenn Blau gewendet hat, gilt dann Regel 18 nicht mehr wegen der Ausschlussbedingung von 18.1 " it does not apply (a) between boats on opposite tacks on a beat to windward,"?
Muss Blau immer noch Bahnmarkenraum gewähren oder kann es sich dieser Verpflichtung durch die Wende entledigen? Wie lange muss Blau allenfalls Bahnmarkenraum gewähren? Regel 18.2c) sagt "When a boat is required to give mark-room by rule 18.2(b), (1) she shall continue to do so even if later an overlap is broken or a new overlap begins;". Meiner Meinung nach könnte hier auch der zweite Teil von Absatz b) der Definition für Bahnmarkenraum (s.o.) zur Anwendung kommen, da die Definition von "Klar voraus, Überlappung" den Passus enthält: "They apply to boats on opposite tacks only when rule 18 applies between them or when both boats are sailing more than ninety degrees from the true wind.". D.h. Blau muss Gelb Raum geben, um die Bahnmarke zu runden, inklusive Wende weil "she is overlapped inside and to windward of the boat required to give mark-room and she would be fetching the mark after her tack" zutrifft.
Irgendwie läuft es für mich auch auf die Frage hinaus, gilt Regel 18, solange Bahnmarkenraum gegeben werden muss, oder kann Regel 18 aufhören und die Pficht zum Bahnmarkenraum geben bleibt bestehen? Oder hört gar beides auf nach der Wende von Blau?
(Nebenbei: Gelb wird von 3 bis 5 langsamer wegen des gestörten Windes durch die Boote, die schon um die Tonne sind).)

Wie seht ihr das?

Roger

PS ich habe nach dem Schreiben noch folgende Links gefunden:

- Rule 18 – When Rule 18 (Mark-Room) Applies: Racing Rules of Sailing 2021-2024
https://www.youtube.com/watch?v=EY3VSs4 ... e=youtu.be

-Rule 18.2 - Giving Mark-Room: Racing Rules of Sailing 2021-2024
https://www.youtube.com/watch?v=EB4aO6h ... e=youtu.be

- Rule 18 – Mark-Room, Part 3: Passing Head to Wind in the Zone and Gybing at a Mark
https://www.youtube.com/watch?v=s7DuAbF ... e=youtu.be

Im zweiten Video gibt es fast am Ende (11:27) ein ähnliches Beispiel, allerdings an der Leetonne und deshalb ohne Wende.

PS2: Unter diesem Link https://www.bing.com/videos/search?q=ra ... ORM=VDRVSR werden bei mir noch viel mehr Videos von SailZing angezeigt, falls sich jemand interessiert.

Vorausgesetzt es ist nicht eine Tischdiskussion mit 1000 'Aber-wenn-dochs', sondern praxistauglich... : Blau kommt erst mit der Wende in die Zone. Die Grenze der Zone ist unbestritten.

Für mich ist es in der Praxis auf dem Wasser klar 18.3. Sonst ist es 'aber wenn doch', nur für die Bar.

Text und Erklärungen zu 18.3:

Video

Rule 18.3 – Passing Head to Wind in the Zone
Rule 18.3 applies
“If a boat in the zone of a mark to be left to port passes head to wind from port to starboard tack and is then fetching the mark, she shall not cause a boat that has been on starboard tack since entering the zone to sail above close-hauled to avoid contact and she shall give mark–room if that boat becomes overlapped inside her. When this rule applies between boats, rule 18.2 does not apply between them.”

For 2021, World Sailing changed the title of this rule from “Tacking in the Zone” to “Passing Head to Wind in the Zone.” The change aligns the title with the language in the rule.

Für Gelb ist es besonders im Mittelfeld Hochrisiko so an die Boje zu fahren. Strategisch geschickt macht es Blau, Annäherung
knapp ausserhalb Zone (um die langsam machenden Anliegenden von rechts und unnötige Überhöhe zu vermeiden), Gap finden zum Wenden (im Bild bei 3) und möglichst schnell zur Boje kommen...

Danke für die Links zu den Videos!

Ruedi

Um keine Missverständnisse und Hoffnung aufkommen zu lassen: Gelb bekommt bei der Annäherung an die Luvboje
durch keine Regel Wegrecht oder Raum an der Marke, wenn Blau auf dem anderen Bug ist! Am Wind an der Luvboje ist Bb/Stb nie aufgehoben, im Gegensatz zu an Raum- und Leetonne in der Zone.